"Die Energiewende erfordert Zusammenarbeit"
Ein Jahr nach dem Start der Partnerschaft mit Elli zieht Otovo-CEO Andreas Thorsheim Bilanz. Wie die Unternehmen Solarstrom und E-Mobilität nahtlos ins Zuhause bringen und was die Vision für die Energiewende in Europa ist, verrät er im Interview.
Herr Thorsheim, 2024 haben Otovo und Elli eine Partnerschaft gestartet, um PV-Systeme und Wallboxen nahtlos zu integrieren. Wie fällt Ihr Fazit nach einem Jahr Zusammenarbeit aus?
Andreas Thorsheim: Das erste Jahr unserer Partnerschaft mit Elli war nichts weniger als inspirierend. Wir haben offen, transparent und auf Augenhöhe zusammengearbeitet – Herausforderungen direkt angegangen und innovative Lösungen gefunden, die E-Mobilität und Photovoltaik nahtlos verbinden.
Über den Start unseres Pilotprojekts zum bidirektionalen Laden hinaus haben wir bereits zusätzliche Hardware-Komponenten integriert und erweitern kontinuierlich unser gemeinsames Angebot. Es ist spannend zu sehen, wie schnell wir Fortschritte machen können, wenn wir Ellis Expertise im intelligenten Laden mit Otovos Reichweite und Einfachheit in Solar kombinieren.
Wir sehen schon jetzt großartige Ergebnisse in Deutschland – aber das ist nur der Anfang. Der nächste Schritt ist, diese Partnerschaft noch enger mit Autohäusern zu verknüpfen und international zu skalieren. Je mehr wir unsere Stärken bündeln, desto größer ist unser Einfluss auf die Beschleunigung der Energiewende in Europa.
Welche technischen oder prozeduralen Hürden mussten überwunden werden, um dieses Ökosystem umzusetzen?
Andreas Thorsheim: Ein echtes PV–E-Mobility-Ökosystem aufzubauen bedeutet nicht nur, Hardware miteinander zu verbinden – es geht darum, sicherzustellen, dass alle Komponenten im Zuhause des Kunden reibungslos zusammenspielen. Einer der wichtigsten Schritte war die gründliche Integrationstests mit Heimspeichern, um sicherzustellen, dass unser Versprechen des PV-Überschussladens auch im Alltag zuverlässig funktioniert. Wenn ein Kunde sein Auto mit eigenem Solarstrom laden möchte, muss das Erlebnis einfach, zuverlässig und transparent sein.
Gleichzeitig entwickelt sich der Markt in rasantem Tempo weiter. Nur ein Jahr nach dem Start unserer Partnerschaft sind völlig neue Themen in den Fokus gerückt – wie die zentrale Rolle von Home Energy Management Systems. Diese Systeme sind nicht mehr optional, sondern werden zum Rückgrat intelligenter Energienutzung im Zuhause. Für all diese sich schnell verändernden Anforderungen arbeiten wir eng zusammen, um uns anzupassen, zu innovieren und Lösungen zu liefern, die unser gemeinsames Ökosystem an der Spitze halten. Genau diese Agilität macht die Partnerschaft so stark.
Auf der IAA 2025 haben Sie betont, dass kein Unternehmen die Energiewende allein bewältigen kann. Was sind Ihrer Ansicht nach die entscheidenden Erfolgsfaktoren – und welche Rolle spielen Partnerschaften wie die zwischen Elli und Otovo dabei als Katalysatoren?
Andreas Thorsheim: Energie und Mobilität waren früher getrennte Industrien. Heute nicht mehr. Das Ausmaß und die Geschwindigkeit der Energiewende erfordern Zusammenarbeit – kein einzelnes Unternehmen kann sie allein bewältigen.
Die Partnerschaft zwischen Elli und Otovo ist ein perfektes Beispiel dafür, wie die Bündelung von Stärken etwas schafft, das weit mehr ist als die Summe seiner Teile. Elli bringt die Größe der Automobilindustrie und intelligente Ladesoftware ein; Otovo trägt die unübertroffene Reichweite im Solarmarkt und Expertise in der Heiminstallation bei.
Gemeinsam integrieren wir nicht nur Produkte – wir bauen ein komplettes Ökosystem: vom Auto in der Einfahrt, zur Wallbox an der Garagenwand, bis hin zu den PV-Panels auf dem Dach. Von der Stromerzeugung bis zur intelligenten, flexiblen Nutzung im Haushalt.
Wir glauben, dass das Elektroauto nicht mehr nur ein Auto ist – es ist das anpassungsfähigste Energieasset im Haushalt. Wenn man diese Batterie mit Solarstrom und intelligentem Energiemanagement verknüpft, gewinnen Kunden Kontrolle, Einsparungen und Resilienz. Partnerschaften wie diese machen diese Vision für Millionen Europäer zur Realität. Sie beschleunigen Innovationen, verkürzen die Markteinführungszeit neuer Technologien wie bidirektionales Laden und machen die Vorteile der Energiewende im Alltag greifbar.
Elektroautos bieten enormes Potenzial als flexible Energiequellen im Stromnetz. Welche Rolle wird Vehicle-to-Home Ihrer Meinung nach in den nächsten 3–5 Jahren im europäischen Alltag spielen?
Andreas Thorsheim: Vehicle-to-Home (V2H) ist keine ferne Theorie mehr – es ist eine Technologie, über die in einigen europäischen Ländern schon seit Jahren gesprochen wird. Bisher blieb das meiste davon aber hypothetisch, vor allem wegen regulatorischer Hürden. Deshalb ist es unglaublich spannend, Teil eines praktischen Piloten zu sein, der V2H tatsächlich in die Häuser der Menschen bringt.
Das bedeutet nicht, dass wir schon marktreif sind. Aber was wir jetzt tun, ist entscheidend: gemeinsam lernen, testen, was wirklich funktioniert, und bedarfsorientierte Lösungen entwickeln, die wirklich kundenorientiert sind. Unser Pilotprojekt ist für Q4 und die erste Hälfte 2026 geplant – und stellt einen massiven Meilenstein bei der Entwicklung praxisnaher V2H-Systeme in den nächsten drei Jahren dar.
Der breitere Trend ist eindeutig: Der globale V2G-Markt, zu dem auch V2H gehört, hatte 2024 ein Volumen von 3,4 Milliarden Dollar und soll bis 2034 jährlich um 38 % wachsen, auf 80 Milliarden Dollar (Reuters). Gleichzeitig wird erwartet, dass der V2H-Infrastrukturmarkt von 350 Millionen Dollar 2025 auf über 2,1 Milliarden Dollar im Jahr 2030 anwächst – mit einer jährlichen Wachstumsrate von rund 35 % (Macholevante).
Diese Zahlen bestätigen, was wir vor Ort sehen: V2H entwickelt sich vom Reißbrett hin zu realen Systemen, die echten Mehrwert liefern. Wenn wir diese frühen Pilotprojekte in skalierbare Lösungen verwandeln können, könnte das die Art und Weise revolutionieren, wie Haushalte Energie erzeugen, speichern und nutzen. Und ehrlich gesagt: Teil dieser ersten Welle zu sein – direkt ab dem Pilot – ist eine einmalige Chance.
Sie sehen Europa als Pionier bei den Klimazielen, aber weiterhin mit Rückständen bei der Umsetzung. Wenn Sie einen "Quick Win" für Europa benennen müssten, welcher wäre das?
Andreas Throsheim: Europa ist weltweit führend, wenn es um Klimaambitionen geht. Aber wenn es darum geht, diese Ambitionen in Taten umzusetzen, lassen wir noch zu viel Potenzial ungenutzt. Wenn ich einen „Quick Win“ nennen müsste, wäre es der Abbau unnötiger Bürokratie, die Projekte für erneuerbare Energien ausbremst.
Ich habe es oft gesagt: Solar scheitert nicht an der Technologie – es scheitert an der Bürokratie. Die Technologie ist bewährt, die Kosten sind dramatisch gefallen, und die Nachfrage ist da. Was wir jetzt brauchen, sind drei einfache Beschleuniger: Planungssicherheit – damit Investoren und Hausbesitzer wissen, dass die Regeln nicht mitten im Projekt geändert werden. Schnellere Genehmigungen – gemessen in Tagen oder Wochen, nicht in Monaten oder Jahren. Politische Konsistenz – stabile, langfristige Rahmenbedingungen, die Menschen und Unternehmen Vertrauen geben.
Wenn wir diese drei Dinge richtig machen, beschleunigen wir die Energiewende nicht nur – wir machen sie unaufhaltbar. Der schnellste Fortschritt kommt nicht von neuen Erfindungen, sondern vom Abbau der Hürden, die verhindern, dass bewährte Lösungen die Haushalte erreichen.
Angesichts der aktuellen Marktschwankungen, steigender Strompreise und zunehmendem Kostendruck in der Solarbranche: Wie bewahren Sie strategische Flexibilität? Wohin geht die Reise?
Andreas Thorsheim: In Zeiten steigender Strompreise und zunehmenden Kostendrucks ist strategische Flexibilität entscheidend – und genau hier zeigt sich die Stärke von Otovos gesamteuropäischem Modell. Mit Aktivitäten in 13 Märkten, darunter dynamische Wachstumsmärkte wie Polen, können wir schnell Ressourcen verlagern und dort Schwerpunkte setzen, wo Angebot und Nachfrage zusammenkommen. Märkte entwickeln sich unterschiedlich: Während UK oder Niederlande einem bestimmten Pfad folgen, ist Polen mit seinen starken Förderungen derzeit ein besonders spannender Wachstumsmarkt. Diese Anpassungsfähigkeit verschafft uns einen Vorsprung, den viele Wettbewerber nicht haben.
Unser Ansatz ist klar: In jedem Markt gute Arbeit leisten – Trends etwa in Deutschland beobachten – und dann diese Best Practices schnell in andere Märkte übertragen, immer mit klarem Fokus auf Kundennutzen. Zudem sind steigende Stromkosten nicht nur eine Herausforderung – sie sind auch ein starkes Verkaufsargument. Verbraucher suchen aktiv nach Lösungen, um ihre Energiekosten zu senken. Und mit stark fallenden Solarkosten werden PV-Systeme täglich attraktiver. Tatsächlich sind die Installationskosten für Solaranlagen zwischen Anfang 2023 und Anfang 2024 um über 50 % gesunken, während die Haushaltsstrompreise deutlich gestiegen sind.
Diese Kombination – sinkende Solarpreise und steigende Energiekosten – macht die Einführung sauberer Energie dringender und attraktiver als je zuvor. Ich bin optimistisch für unseren Weg: Indem wir agil, marktaufmerksam und kundenzentriert bleiben, navigiert Otovo nicht nur durch die aktuelle Volatilität – wir übernehmen eine führende Rolle.